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Ermutigung Für Die Proteste Im Iran Auf Der Lit.cologne

Gegen Verhaftungen, Folter, Hinrichtungen: Wie lässt sich die Protestbewegung im Iran stärken? Das war die brennende Frage zum Auftakt des Kölner Literaturfestivals lit.Cologne.

Fünfeinhalb Monate ist es her, dass die 22-jährige Jina Mahsa Amini in Gewahrsam der iranischen Sittenpolizei starb. Seither gehen Iranerinnen und Iraner in Massen auf die Straße, und obwohl täglich Menschen verhaftet, gefoltert und getötet werden, halten die Proteste an. Eine Solidaritätswelle geht um die Welt. “Die Wut und Verzweiflung der Menschen im Iran ist riesengroß”, stellte der deutsch-iranische Schriftsteller Navid Kermani am Mittwoch (2.3.) bei einer Diskussionsrunde zum Auftakt der 23. Ausgabe des Literaturfestivals lit.Cologne in den Kölner Sartorius-Sälen fest. “Wir können uns nur verneigen vor dem Mut dieser Menschen.”

Es war genau dieser Mut, der Iranerinnen und Iraner über Monate hinweg Tweets ins Netz stellen ließ. Der 25-jährige Sänger Shervin Hajipour komponierte daraus sein Lied “Baraye” (übersetzt: “für” oder “wegen”). Der Song wurde millionenfach angeklickt und heruntergeladen, inzwischen auch von vielen Künstlern gecovert. Zensur und Verhaftung des Komponisten konnten “Baraye” nichts anhaben:

Der Song wurde, dank der Macht der Poesie, zur Hymne der Protestbewegung – und erklang auch jetzt zum Auftakt der lit.Cologne, wo Kermani, moderiert von der Journalistin Ferdos Forudastan, mit der Iranforscherin Azadeh Zamirirad, der Journalistin Isabel Schayani und der Schriftstellerin Asal Dardan über Zustand und Zukunft der Protestbewegung sprach.

Die Protestierenden im Iran wollen mehr

Längst zielen die Proteste, soweit war man sich in der Runde einig, nicht mehr nur auf die Selbstbestimmung der Frauen, sondern auf die Befreiung der Gesellschaft von einem autoritären, patriarchalen und gewalttätigen Regime. Dieser nach vielen vorangegangen Aufständen “evolutionäre Prozess”, wie Kermani es nannte, sei unumkehrbar.

Die Autorin Asal Dardan sagte, sie werfe sich vor, zu lange an die Möglichkeit von Reformen geglaubt zu haben. Von einem “Dammbruch” sprach die Berliner Politikwissenschaftlerin Zamirirad. Das System habe sich gewandelt, Reformen und Kompromisse seien nicht mehr möglich. Auch setze die schwierige Wirtschaftslage den Menschen im Iran zu. “Die jungen Leute”, so Zamirirad, “haben nichts mehr zu verlieren.”

Wenn es so wirke, als hätten die Proteste nachgelassen, so täusche dieser Eindruck. Der Protest habe nur andere, zum Teil subversivere Formen angenommen – etwa mit Slogans auf Dächern und Hauswänden, Graffiti und Gesängen. Isabel Schayani betonte, das Regime regiere gegen die Mehrheit der Menschen. Kermani mahnte: “Unsere Aufgabe ist es, die Aufmerksamkeit hochzuhalten.” Es dürfe nicht zu einer Normalisierung kommen, auch wenn die Schlagzeilen verschwänden.

Steinmeier: “Wir sehen Euer Leid!”

Mehr als fünf Monate nach Beginn der landesweiten Proteste sitzen nach Angaben von Amnesty International mehr als 20.000 Menschen im Gefängnis. Hunderte wurden getötet, Protestierende öffentlich hingerichtet. In den Gefängnissen herrschten “katastrophale Zustände”, Folter und sexualisierte Gewalt seien an der Tagesordnung. “Die Menschenrechtslage”, fasste Azadeh Zamirirad zusammen, “hat sich massiv verschlechtert”. Ihre Einschätzung deckt sich mit der Iran-Resolution des UNO-Menschenrechtsrates vom November 2022. Und es war Deutschlands Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der am Internationalen Tag der Menschenrechte im Dezember den Menschen im Iran zurief: “Wir sehen Euer Leid! Wir sehen die Verbrechen, die man Euch antut!”

Was muss getan werden, um die Protestierenden zu unterstützen? Wie lässt sich die iranische Zivilgesellschaft von außen stärken? So einig die Diskutierenden in der Beurteilung der Lage im Iran waren, so sehr gingen die Meinungen in diesen Punkten auseinander. Iran auf allen Ebenen politisch zu isolieren, verlangte etwa Kermani. Die Revolutionsgarden gehörten auf die EU-Terrorliste. Politikberaterin Zamirirad warnte dagegen: “Iran darf nicht das nächste Nord-Korea werden!”

Wieder mal zeigt sich, wie schwer es ist, den richtigen Umgang mit Unterdrückungsregimen zu finden. Asal Dardan mahnte, weniger auf den Staat und stattdessen mehr auf die Stärkung der Zivilgesellschaft zu blicken. Es müssten Kanäle gefunden werden, über die Exil-Iraner die Menschen im Iran unterstützen könnten. Wer Geld aus dem Ausland erhalte, gelte als Spion, hielt Isabel Schayani dagegen.

“Meine Hoffnung liegt auf dem Iran, nicht auf den Exil-Iranern”, unterstrich Azadeh Zamirirad von der Stiftung Wissenschaft und Politik, einem Thinktank, der auch die deutsche Regierung berät. Erst kürzlich hatte Reza Pahlavi, der Sohn des 1979 gestürzten iranischen Schahs, die Opposition im Iran zum Umsturz aufgerufen. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar erläuterte der 62-jährige, wie er sich den Übergang von der Islamischen Republik zu einem demokratischen Iran vorstellt – mit ihm als Kopf einer Übergangsregierung. Bis dahin freilich müsste Pahlavi, der seit 45 Jahren nicht im Iran war, die zersplitterte Opposition einen. Doch ist der Schah-Sohn bei Regimekritikern und der Jugend umstritten. “Es ist zu früh zu sagen, was daraus wird”, so Zamirirad.

Irans Literatur kam zu kurz

Und welche Rolle spielte an diesem Abend die Literatur? Die Schauspielerin Eva Matthes las zu Beginn und am Ende aus Gedichten und Texten von Ahmad Schamlou, Forugh Farrochzad, Navid Kermani und Asal Dardan vor – als eine Art Klammer, in der die Vielfalt der iranischen Literatur allenfalls angedeutet wurde. “Man kann genau wie eine Aufziehpuppe sein und seine Welt mit zwei Glasaugen sehen”, dichtete etwa die jung verstorbene Lyrikerin und Filmregisseurin Forugh Farrochzad (1934-1967), eine Pionierin der iranischen Moderne, in Anspielung auf die Unterdrückung iranischer Frauen.

Sehr eindrücklich auch Navid Kermanis Schilderung von der öffentlichen Hinrichtung des wegen Mordes an einem korrupten Richter verurteilten Majid Kavousifars am 2. August 2007: Die blaue Plastikschlinge schon um Hals, warf er dem Publikum ein letztes Lächeln zu. “Unter dem Galgen wurde er zu einem Helden”, notiert Kermani in seinem Text. Der mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnete Kermani stellte beim Literaturfestival lit.Cologne dann auch sein neuestes Buch vor, eine Sammlung politischer Essays und Reportagen. Titel: “Was jetzt möglich ist”.

Auch wenn die Literatur zum Auftakt des Literaturfestivals zu kurz kam: “Dieser Abend in Köln ist wichtig für die Menschen im Iran”, sagte Markus Beeko, Generalsekretär der deutschen Sektion von Amnesty International, die den Erlös der Veranstaltung erhielt, zur Deutschen Welle: “Er wird die Menschen ermutigen.”

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