Es fließt kein Gas mehr von Russland nach Deutschland. Längst nicht beantwortet ist, wie viel Einfluss der Kreml über das Nord Stream-Projekt auf die Politik nahm.
Dabei mutet nicht allein die Tat verstörend an. Was da verbrannt wurde, waren Unterlagen der Stiftung Klima- und Umweltschutz MV. Die Initialen steht für das an der Ostsee gelegene Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Dort enden die beiden im Herbst 2022 durch Explosionen beschädigten russischen Gaspipelines Nord Stream 1 und 2.
Die USA wollten den Bau stoppen
Die Klimastiftung wurde Anfang 2021 auf ausdrücklichen Wunsch von SPD-Ministerpräsidentin Manuela Schwesig gegründet. Zu einem Zeitpunkt, als US-Sanktionen die Fertigstellung von Nord Stream 2 bedrohten. “Diese Stiftung hatte einen Tarnauftrag”, beschrieb es CDU-Generalsekretär Mario Czaja kürzlich im Bundestag. “Statt das Klima zu schützen, sollte sie Nord Stream 2 unter allen Umständen ans Netz bringen, mögliche Sanktionen umgehen und dem russischen Staatskonzern das Geschäft ebnen.”
Bis hierhin ist das, was Czaja sagt, unbestritten. Auch in der CDU, die in Mecklenburg-Vorpommern damals mit der SPD regierte und im Landtag ebenfalls für die Gründung stimmte. Ein Fehler, wie die Partei heute einräumt.
Mehr Pipeline als Klimaschutz
Laut Satzung wurde der gemeinnützigen Stiftung ermöglicht, einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zu gründen. In einer ersten Fassung der Satzung stand, dass der Betrieb sich “vorrangig an der Vollendung von Nord Stream 2 beteiligen” sollte. In einer geänderten Satzung tauchte der Satz nicht mehr auf, der Auftrag aber wurde ausgeführt. Die Stiftung übernahm den Bau der Pipeline, erteilte also Aufträge und beschäftigte 80 Firmen als Subunternehmer. Sie kaufte das Schiff “Blue Ship”, mit dem die Rohre der Pipeline am Ostseeboden befestigt wurden.
Zudem wurden Anteile an einem Schiffsmakler, Werkzeuge, Fahrzeuge wie Radlader und Maschinen erworben. Das Auftragsvolumen belief sich auf insgesamt 165 Millionen Euro.
20 Millionen Euro aus Russland – ohne Bedingungen?
“Die Stiftung hatte keinen anderen Sinn, denn als Generalunternehmer des Kremls, als langer Arm Putins zu agieren und dem russischen Staatskonzern das Geschäft zu ebnen”, sagte Czaja im Bundestag. Nur aus diesem Grund habe die Nord Stream AG die Stiftung finanziert.
So sieht es auch die FDP. “Wer glaubt denn ernsthaft, dass 20 Millionen Euro von Gazprom an diese Stiftung überwiesen worden sind, um Seegraswiesen in der Ostsee anzulegen? Das glaubt doch kein Mensch!”, meint der aus Mecklenburg-Vorpommern stammende Bundestagsabgeordnete Hagen Reinhold. Eine zentrale Frage sei, “welche Erwartungen der Kreml” außerdem mit der Zahlung verbunden habe.
Schwesig unter Druck
Ministerpräsidentin Schwesig beharrt nach wie vor darauf, dass das Geld immer nur für den gemeinnützigen Bereich der Stiftung, also den Klima- und Umweltschutz gedacht gewesen sei. Doch das wurde nie schriftlich festgehalten, sondern von der Regierungschefin unter vier Augen mit dem Chef von Nord Stream 2, Matthias Warnig ausgemacht.
Warnig ist eine schillernde Figur. Ein ehemaliger Stasi-Agent in der DDR, seit Jahrzehnten ein enger Vertrauter des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Mutmaßlich kennen sich die beiden aus der Zeit Putins als KGB-Offizier in Dresden. Nach dem Ende der DDR wurde Warnig zu einem der einflussreichsten deutschen Manager in Russland und saß in zahlreichen Aufsichtsräten deutsch-russischer Unternehmen und Banken.
“Pipeline in die Staatskanzlei”
Was haben Schwesig und der in russischem Auftrag agierende Warnig besprochen? Waldimir Putin habe mit Nord Stream nicht nur Gaspipelines gebaut, sagte der FDP-Bundestagsabgeordnete Michael Kruse. “Er hat es ganz offensichtlich auch geschafft, Pipelines zu bauen, durch die Fake News, Propaganda, Lügen und Drohungen fließen. Diese Pipelines reichen offensichtlich bis in die Staatskanzlei in Mecklenburg-Vorpommern hinein.”
Schwesig versuchte bis zum russischen Überfall auf die Ukraine, Nord Stream 2 in Betrieb zu nehmen. Warum hielt sie so vehement an dem Projekt fest, obwohl auch die Bundesregierung längst von Nord Stream 2 abgerückt war? Weil sie wusste, dass von den 20 Millionen Euro die Hälfte in der Staatskasse landen würde?
Finanzen sind ihr Metier
Die Ministerpräsidentin ist Diplom-Finanzwirtin und hat vor ihrer politischen Karriere zwölf Jahre als Finanzbeamtin für die Steuerfahndung und später im Finanzministerium als Steueramtsrätin gearbeitet. Sie müsste also wissen, dass die Schenkung nur bei schriftlich fixierter Gemeinnützigkeit steuerfrei bleiben würde.
Ohne diese Festlegung sind Steuern fällig, weil das Geld auch für nicht gemeinnützige Zwecke der Stiftung, also auch für die Pipeline hätte ausgegeben werden können.
Russisches Geld für die deutsche Staatskasse?
War das von Schwesig und Warnig beabsichtigt? Das würde bedeuten, dass Geld aus Russland für die Staatskasse vorgesehen war. Schwesig behauptet, es sei nie über Schenkungssteuer gesprochen worden. Auch diesen Punkt versucht ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss im Landtag in Mecklenburg-Vorpommern zu klären. Doch die Arbeit kommt nicht voran. Auch, weil die Abgeordneten viele Akten nur weitgehend geschwärzt in die Hände bekommen. Von “Tricksen, Täuschen und Vertuschen” spricht CDU-Generalsekretär Mario Czaja.
Fakt ist, dass Manuela Schwesig die Klimastiftung nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine so schnell wie möglich loswerden wollte. Im März 2022 verkündete sie, die Stiftung werde aufgelöst und das Stiftungskapital in die Ukraine geschickt. Doch bis heute ist das nicht passiert. Auch, weil sich der Stiftungsvorstand vehement wehrt und auch gegen die vom Finanzamt verlangte Schenkungssteuer klagt.
Panik im Finanzamt
Womit wir wieder bei der Steuererklärung der Stiftung sind, die monatelang unbearbeitet blieb und am Ende nicht mehr auffindbar war. Wie sich herausstellte, war die Akte im Amt falsch abgelegt worden. Als die dafür verantwortliche Beamtin sie durch Zufall wiederfand, fürchtete sie persönliche Konsequenzen.
Sie sei in Panik geraten und habe die Unterlagen daher verbrannt, sagte die 26-Jährige später gegenüber Ermittlern. Die glaubten ihr, auch weil die Frau nach der Tat zu ihrer Vorgesetzten ging und ihre Vertuschungsaktion offenbarte. Die Staatsanwaltschaft wurde eingeschaltet, gegen die Finanzbeamtin läuft ein Disziplinarverfahren. Doch die Geschichte hat politische Folgen.
“Kamin-Gate” erzeugt Druck
Ministerpräsidentin Schwesig will von der verbrannten Akte erst vor kurzem aus der Presse erfahren haben. “Wer das glauben will, soll es glauben. Ich glaube es nicht”, sagt dazu der CDU-Politiker Mario Czaja. “Eine Ministerpräsidentin, die in ihrem Einflussbereich so ziemlich alle an kurzer Leine hält, um alles unter Kontrolle zu haben, soll von all dem nichts gewusst haben, soll von ihrem Finanzminister, von ihrer Justizministerin nicht über diesen Vorgang informiert worden sein?”
Schwesig gibt sich unbeeindruckt. “Ich halte das für korrekt, denn in steuerliche und staatsanwaltschaftliche Angelegenheiten hat sich eine Ministerpräsidentin nicht einzumischen und das geht sie auch nichts an”, konterte die Sozialdemokratin im ARD-Fernsehen.
Auf die Frage des Moderators, ob Schwesig auch unter Eid aussagen würde, gab die Ministerpräsidentin allerdings keine Antwort. Die wird sie vermutlich im parlamentarischen Untersuchungsausschuss geben müssen. Schwesig wird die Vergangenheit nicht los.