Der Görlitzer Park in Berlin gilt als “kriminalitätsbelasteter Ort”. Die Polizei versucht schon lange, die Lage in den Griff zu bekommen. Für einige Anwohner sind die Zustände nur ein gesellschaftliches Symptom.
Eine Polizeistreife betritt den Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg. Es beginnt ein Katz-und-Maus-Spiel. Nach nur wenigen Minuten entdecken die Beamten einen Mann, der eigentlich nicht im Park sein dürfte. Denn erst gestern haben sie ihm einen Platzverweis erteilt – “zur Verhinderung weiterer Straftaten”. Davon habe der Mann schon mehrere im Park begangen, vor allem Betäubungsmitteldelikte.
Heute gibt es wieder einen Platzverweis und eine Anzeige obendrauf – weil der Mann gegen den Platzverweis von gestern verstoßen hatte. Dann darf er wieder gehen. Die Streife macht sich auf die Suche nach Drogenverstecken. Filip Ballenthin, Polizeioberkommissar, sagt: “Es ist nicht unüblich, dass die Dealer Gebüsche oder Mülleimer nutzen. Teilweise werden Gullideckel angehoben und da wird es darunter versteckt. Irgendwelche Rillen in Mauern, da sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt.”
Konfliktpotenzial ohne Lösungen
Eine Szene, wie sie hier täglich vorkommt. Für Rainer Wendt, den Bundesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft DPolG, ist die Normalisierung der Zustände im Görlitzer Park allein schon ein Skandal. “Deutschlandweit betrachtet ist das ein sehr besonderer Ort”, so Wendt. “Zu dem Drogenhandel gibt es unverhohlene Zustimmung in recht großen Teilen der Nachbarschaft. Man versucht hier sozusagen eine Koexistenz mit Drogendealern.”
Tatsächlich hatte ein “Parkmanager” vor einigen Jahren sogar mit Spraydosen “Stehplätze” für Drogendealer auf die Betonwege malen lassen – um das Konfliktpotential zu senken. Gelöst hat es die Probleme mit dem Drogenhandel ebenso wenig wie die Einstufung des Parks als “kriminalitätsbelasteter Ort” durch die Polizei.
Alltagsbekanntschaften mit Drogenhändlern
Neben einem Sandkasten steht Carlos Capella, er wohnt in der Umgebung. Neben ihm spielt sein Enkel. Capella hat offensichtlich kein Problem damit, dass der Park nicht nur Erholungsgebiet, sondern auch Drogenumschlagplatz ist: “Ich fühle mich sehr sehr wohl. Allerdings suche ich den Kontakt mit den Leuten, mit den kriminalisierten Leuten sozusagen.”
Für ihn sind die Dealer im Görli “kriminalisiert” – also nicht per se “kriminell”. Anwohner wie er sehen das Problem mit der Drogenkriminalität eher darin, dass der Handel mit Betäubungsmitteln überhaupt kriminell ist.
Capella berichtet von Alltagsbekanntschaften mit Drogenhändlern: “Mittlerweile kennen wir uns fast alle. Deshalb finde ich. Kontakt bringt mehr. Ein besseres Sicherheitsgefühl.”
Sozialarbeit statt Polizei
Es gibt auch eine Nachbarschaftsinitiative, die sich dafür einsetzt, die Probleme des Parks eher mit Sozialarbeit statt durch die Polizei zu lösen. Sie nennen sich “Wrangelkiez United”.
David Kiefer ist Mitglied und erklärt, dass eine verstärkte Polizeipräsenz den Drogenhandel nur aus dem Park in die umliegenden Wohnviertel verschoben habe. “Wir haben in den letzten drei Jahren so viel Polizei hier wie nie zuvor”, erzählt er. Die Situation habe sich weiter zugespitzt und verschlechtert. “Sinnvoll wäre, es mal mit sozialen Lösungen zu versuchen: Übernachtungsangebote für Menschen, die obdachlos sind, Konsumräume und Hilfsangebote für Menschen, die Drogen konsumieren, und Arbeitserlaubnis für Menschen, die hier ohne Papiere sind.”
Ohne Aufenthaltsgenehmigung
Die Menschen ohne Papiere, die er meint, sind vor allem die Drogendealer. Viele sind illegal Eingereiste ohne Aussicht auf Asyl oder eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung. Häufig kommen sie aus Afrika. Viele Anwohner im traditionell grün wählenden Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg halten nicht viel davon, sie abzuschieben.
Für Rainer Wendt ist das einer der Hauptgründe, warum der Görlitzer Park so ist, wie er ist. Er ist der Auffassung, dass die Ausländerbehörde im Bezirk eine entscheidende Rolle einnimmt. Viele der Dealer würden immer wieder mit Drogen erwischt. “Allein rund um den Görlitzer Park sind 400 Mehrfachstraftäter bekannt, über die es von der Ausländerbehörde heißt: ‘Die können wir nicht abschieben, denn wir haben die Ausweispapiere von denen ja nicht'”, so Wendt. Man könne abschieben, müsse aber die Papiere vorher besorgen. “Wenn man eigentlich gar nicht abschieben will, dann macht man es so, wie man es in Berlin-Kreuzberg macht”, so Wendt.
Es wird Abend im Görlitzer Park. Die Polizisten der Präsenzstreife machen ihre letzte Runde für heute. Morgen werden die meisten von ihnen wieder dort sein – um nach Drogenverstecken zu suchen und wahrscheinlich einige der Dealer von heute wieder festzunehmen.