Oktober wurde eine bis dahin offene Grenze zwischen Deutschland und Österreich geschlossen: Die sogenannte Strompreiszonentrennung hob die gemeinsame Preiszone auf. Bis dahin konnte Strom über die Grenzen hinweg uneingeschränkt gehandelt werden. Das bescherte Großverbrauchern in Österreich günstige Einkaufsmöglichkeiten, da auf größeren Märkten die Preise in der Regel niedriger sind. Jetzt muss teurerer heimischer Strom die günstigen Importe aus Deutschland ersetzen.
Aufgrund des virtuellen Grenzbalkens im Stromnetz rechnen Experten für in Österreich verkaufter MWh – der im Schnitt ja nur geringen Anteil aus Deutschland beinhaltet – mit Preissteigerungen von rund 35 Cent. Für Haushaltskunden dürfte sich das mit Beträgen von einigen Euro im Jahr auswirken. Wesentlich spürbarerer wird die Strompreiszonentrennung für die heimische Industrie, die bislang von den günstigen Preisen auf dem deutschen Markt stark profitiert hat.
Um erste Größenordnungen bei der Preisentwicklung abzuschätzen, hat die Österreichische Energieagentur den Spotmarkt nach dem Ende des gemeinsamen Strommarkts analysiert. Im Mittel bewegte sich der Preis in Österreich bei 60,48 Euro pro MWh, in Deutschland lag er mit 53,57 Euro um elf Prozent darunter. Je nach Berechnungsart zeige sich aufgrund der Preiszonentrennung in Österreich ein Plus von fünf bis zehn Prozent, rund fünf Euro pro MWh, meint Karina Knaus, Leiterin des Centers Volkswirtschaft, Konsumenten und Preise bei der Energieagentur.
Sie warnt allerdings davor, die ersten Zahlen als exakte Prognose anzusehen: „Die Unsicherheiten auf dem Markt sind derzeit noch sehr groß, das lässt sich auch anhand der recht volatilen Ergebnisse auf dem Terminmarkt beziehungsweise Markt für Grenzkapazitäten beobachten.“ Diese zeigten je nach Tageszeit starke Schwankungen, die aber weitgehend parallel verliefen. Der Höchstpreis seit Anfang Oktober belief sich auf 112,66 Euro/MWh und war sowohl in Deutschland als auch in Österreich gleich. Der niedrigste Preis in Österreich wurde mit 5,20 Euro erreicht, in Deutschland gab es sogar negative Preise von bis zu minus 4,97 Euro.
Fehlende Leitungskapazitäten
Grund für die Trennung der beiden Märkte seien zu geringe Leitungskapazitäten in Deutschland gewesen, erklärt Ernst Brandstetter, Pressesprecher von Österreichs Energie: „Gab es im Norden Deutschlands aus den Windkraftwerken viel Strom, musste zur Aufrechterhaltung der Netzstabilität Elektrizität über Polen und Tschechien in den Süden geleitet werden.“ Dort hatte man mit den großen Strommengen im Netz ebenfalls wenig Freude und drängte zusammen mit Deutschland bei den europäischen Regulatoren auf die Trennung der Märkte. Österreich wehrte sich lang und letztlich erfolglos dagegen. Die Übertragungskapazität für Monats- und Jahresauktionen an der Grenze wurde schließlich per 1. Oktober auf 4,9 GW beschränkt.
Begeistert von Strompreiszonentrennung ist niemand in Österreich. „Aber wir haben in den Verhandlungen das Maximum erreicht“, meint Wolfgang Urbantschitsch, Vorstandsmitglied der E-Control. Österreichs Standpunkt in den Gesprächen war, dass die Probleme nicht an Übertragungskapazitäten an der Grenze, sondern innerhalb von Deutschland ihre Ursache haben. Die Strompreiszonentrennung hätte also eigentlich nördlich von Bayern erfolgen müssen. „Das Gegenargument, dass zur Aufrechterhaltung der Netzstabilität in Deutschland letztlich gewisse Einschränkungen notwendig sind, gab aber den Ausschlag“, erläutert Urbantschitsch.
Wirkliche Vorteile bringt die Strompreiszonentrennung auch für Deutschland nicht, meint Marc Philipp Wochnik von Next Kraftwerke in Köln: „Im Herbst produzieren die Windanlagen in Deutschland viel zu viel Strom, der nun nicht mehr einfach nach Österreich verschoben werden kann. Umgekehrt kommt in Zeiten der Dunkelflaute österreichische Wasser- und Windkraft nicht mehr so einfach nach Deutschland.“ Langfristig würden die Netze in Europa weiter zusammenwachsen, ist Wochnik überzeugt. Es gäbe eine Reihe europäischer Projekte. Ein Netz ohne Grenzen werden im Mittel sinkende Großhandelspreise bringen, glaubt Wochnik.
Energie wird generell teurer
Dass die Österreicher jetzt mehr für Strom bezahlen werden, habe allerdings nur wenig mit der Strompreiszonentrennung zu tun, betont E-Control-Vorstand Urbantschitsch: „Die Großhandelspreise für Strom sind in den vergangenen Monaten deutlich gestiegen, das ist aber auf Verteuerungen bei den Energieträgern Kohle und Gas sowie bei CO2-Zertifikaten zurückzuführen.“ Auch die Analyse der Energieagentur bestätigt, dass der große Sprung bei den Strompreisen primär andere Ursachen hat: Ein MWh-Baseload (Grundlast) mit Lieferzeitraum Dezember kostete etwa am 8. November in Deutschland 53 bis 54 Euro, in Österreich aufgrund der Marktrennung fast 60Euro. Vor einem Jahr kostete diese Strommenge auf dem damals gemeinsamen Markt in beiden Ländern nur 40 Euro.