John Sipher gilt als einer der erfahrensten Geheimdienst-Experten der USA. In Deutschlands Geheimdiensten erkennt er keine verlässlichen Partner, was Russland betrifft. Und mehr noch: Die Russland-Analytiker vom BND hält er für „vollkommen nutzlos“.
„Arrogant, unfähig, bürokratisch, nutzlos“ – das Urteil eines amerikanischen CIA-Experten über die deutsche Spionageabwehr klingt vernichtend. Im Gespräch mit FOCUS online schildert John Sipher seine Berufserfahrungen mit deutschen Kollegen in Bezug auf Russland.
Sipher zählt zu den erfahrensten Geheimdienst-Experten der USA. 28 Jahre lang war er bei der CIA für Spionageabwehr tätig und Mitglied des „Senior Intelligence Service“, eines Leadership-Teams des US-Nachrichtendienstes für globale CIA-Aktionen.
Er arbeitete lange als Agentenausbilder und war gemeinsam mit Geheimdiensten anderer westlicher Länder für Aufträge in Europa und Asien zuständig, die als hochgefährlich eingestuft wurden.
FOCUS online: Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit mit den deutschen Nachrichtendiensten?
John Sipher: Es tut mir leid, das sagen zu müssen. Aber obwohl Deutschland der Mittelpunkt der europäischen Wirtschaft ist, sind die deutschen Geheimdienste in Bezug auf Russland absolut keine verlässlichen Partner.
Eigentlich äußere ich mich ungern negativ über die deutschen Geheimdienste, denn es gibt da durchaus ein paar gute Leute. Und wir alle sind ja dringend auf Deutschland angewiesen, wenn es darum geht, weiterhin Druck auf Russland auszuüben.
Aber die deutschen Agenten werden von ihren Politikern zurückgehalten, die es offenbar nicht wahrhaben wollten, dass Putin etwas Böses vorhaben könnte. Also haben die deutschen Spione ihre Köpfe in den Sand gesteckt. Und aus dem Grund sind die Russland-Analytiker vom Bundesnachrichtendienst vollkommen nutzlos.
„Der BND drückte jahrelang bewusst beide Augen zu“
Sie sprechen aus persönlicher Erfahrung?
Sipher: Während meiner Zeit im Geheimdienst, als es unter anderem darum ging, das Land gegen eine Staatsgefährdung aus Russland zu verteidigen, fiel mir auf, wie viel unfähiger die Deutschen waren im Vergleich zu sämtlichen Kollegen aus nahezu allen anderen europäischen Ländern.
Sie waren auch deutlich weniger hilfsbereit als andere Europäer. Ich kann mich wirklich an kein einziges Mal erinnern, bei dem die Zusammenarbeit mit den Deutschen funktionierte. Ich hatte auch einige enge Freunde, die in Berlin und München mit dem BND und dem BfV (Bundesamt für Verfassungsschutz) zusammengearbeitet haben.
Und deren Einschätzungen waren ähnlich?
Sipher: Die kamen alle zum gleichen Schluss: Der BfV leistet solide, ernstzunehmende Arbeit – aber nur, wenn der Wille da ist, etwas zu tun. Und wenn es um Russland ging, haben sowohl der BfV als auch der BND jahre- beziehungsweise jahrzehntelang bewusst beide Augen zugedrückt.
Man bekam den Eindruck, sie gingen deshalb so lax mit Russland um, weil sie Angst hatten, etwas herauszufinden, was sie nicht sehen wollten. Denn dann hätten sie ja vielleicht mal etwas tun müssen. Und sie wussten, das war vom Kanzleramt und der deutschen Regierung nicht erwünscht.
Diese Einschätzungen höre ich übrigens auch von den Geheimdiensten anderer Länder, die ebenfalls versucht haben, mit den Deutschen zusammenzuarbeiten.
„Die deutschen Geheimdienste sind viel zu bürokratisch“
Auch Geheimagenten aus anderen Ländern beurteilen Deutschland negativ?
Sipher: Ja. Wenn etwa Stimmen aus anderen Ländern laut wurden, dass Russland zunehmend eine Gefahr darstellt, haben deutsche Analytiker und Spitzenleute – meist vom BND – fast immer sehr arrogant reagiert und behauptet, sie würden die Russen viel besser verstehen als alle anderen.
Wir anderen seien einfach „voller Vorurteile“ gegen Russland. Es dürfte also kaum überraschen, dass die deutschen Geheimdienste unter anderen Nato-Partnern einen sehr schlechten Ruf haben, was die Zusammenarbeit in Sachen Russland angeht.
Das Motto schien ganz offensichtlich: „Suche nicht und du wirst nichts finden und dann gibt es auch keine Probleme.“ Auch die meisten anderen Geheimdienste fanden, dass die Zusammenarbeit mit Deutschland eine Einbahnstraße war.
Die Deutschen hörten sich zwar gern die Informationen von anderen über Russlands gefährliche Vorgehen an – aber umgekehrt weigerten sie sich, selbst etwas herauszurücken oder zu kooperieren.
Das Hauptproblem war der Druck von oben, von der deutschen Regierung?
Sipher: Genau. Außerdem sind die deutschen Geheimdienste nicht ausreichend finanziert und viel zu bürokratisch. Wer schon mal mit den Deutschen zusammengearbeitet hat, sagt, dass sowohl der BND als auch das BfV von der Regierung nicht ernst genommen, kaum auch nur angehört wird.
Viele individuelle BfV- und BND-Agenten stimmten da keineswegs mit der politischen Spitze in Berlin überein. Aber alle wussten: Ein Aufmucken würde ihrer Karriere schaden. Letztendlich wollte niemand mit den deutschen Nachrichtendiensten zusammenarbeiten, weil es nie irgendetwas brachte.
Sehen Sie Anzeichen, dass sich dies nun ändert?
Sipher: Hoffentlich wird sich das künftig verbessern. Die Geheimdienste der Nato werden die Deutschen wieder mit offenen Armen aufnehmen, wenn sie künftig zur Zusammenarbeit bereit sind.