Der Ton des Schreibens, mit dem die Regierung des venezolanischen Machthabers Nicolás Maduro den deutschen Botschafter aufforderte, das Land zu verlassen, war in Teilen ungehalten. Es sei inakzeptabel, dass ein ausländischer Diplomat “eine öffentliche Rolle ausübe, die eher der eines politischen Führers entspreche, der auf einer Linie mit der verschwörerischen Agenda extremistischer Teile der venezolanischen Opposition steht”.
Doch das Kommuniqué enthielt auch einen nüchtern formulierten Passus, der sich deutlich von jenen Tiraden unterschied, die das Regime seit Wochen an einige der internationalen Unterstützer von Maduros Gegner Juan Guaidó richtet. Botschafter Daniel Kriener, so heißt es dort, habe mit seinem Verhalten gegen Kriterien verstoßen, die der “Rechtsdienst” des deutschen Parlaments formuliert hatte.
Bild auf Twitter anzeigen
Gemeint war ein Anfang Februar verfasstes Rechtsgutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags. Im Fall der Anerkennung Guaidós durch die Bundesregierung, so das Fazit, sei die Frage, ob diese Entscheidung “als unzulässige Intervention zu qualifizieren ist, durchaus berechtigt”.
Kriener hatte, gemeinsam mit anderen Diplomaten, Guaidó bei dessen Rückkehr nach Venezuela am Flughafen Maiquetía bei Caracas empfangen – offenbar um zu verhindern, dass die Grenzpolizei ihn verhaftet. Dieser Schritt stand einerseits im Einklang mit der Politik der Bundesregierung und ihrer Entscheidung, sich den – inzwischen mehr als 50 – Staaten anzuschließen, die Guaidó als Übergangspräsidenten anerkennen. “Als Botschafter agiert man in so einer Situation in der Regel nicht ohne Absprache mit der Bundesregierung”, sagt Klaus Scharioth, früher Staatssekretär im Auswärtigen Amt und deutscher Botschafter in den USA, dem SPIEGEL.
Völkerrechtlich fragwürdig
Andererseits zeigt die Episode, wie heikel das diplomatische Terrain ist, auf das sich die Bundesregierung mit ihrer Venezuela-Politik begeben hat. Eine Woche nach dem ersten Gutachten verfasste der wissenschaftliche Dienst des Parlaments auf Anfrage der Linksfraktion eine weitere Expertise. Diese fiel recht eindeutig aus.
Der Bundesregierung wurde nun ein völkerrechtlich fragwürdiges Verhalten beschieden. Mit der Anerkennung Guaidós weiche sie von ihrer bisherigen Praxis ab, nur Staaten, nicht aber Regierungen förmlich anzuerkennen. Ebenfalls fragwürdig, schreiben die Gutachter, sei “die (vorzeitige) Anerkennung eines Oppositionspolitikers als Interimspräsidenten, der sich im Machtgefüge eines Staates noch nicht effektiv durchgesetzt hat”.
Der Bochumer Völkerrechtler Hans-Joachim Heintze stimmt der Einschätzung des wissenschaftlichen Dienstes zu. “Staaten erkennen Staaten an”, sagt der Jurist dem SPIEGEL. Eine Anerkennung von Einzelpersonen in Ämtern kenne das internationale Recht nicht.