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Giffeys Wette Auf Schwarz, Damit Rot Gewinnt

Mit knappem Vorsprung setzt sich bei der SPD das Lager um Parteichefin Giffey durch: Die Sozialdemokraten koalieren mit der CDU. Dahinter steckt ein riskantes Kalkül.

Gleich mit dem ersten Satz schien Franziska Giffey alle Zweifel hinwegfegen zu wollen. “Wir haben ein klares Ergebnis”, sagte die SPD-Chefin, und ließ dabei extra kleine Pausen zur Betonung jedes Satzteils. “Wir reden hier nicht über 53 Stimmen Unterschied”, sagte Giffey in Anspielung auf den knappen Vorsprung der SPD auf die Grünen bei der Wiederholungswahl. “Es ist ganz eindeutig.” Denn nur so wollte die scheidende Regierende Bürgermeisterin von Berlin dieses Mitgliedervotum verstanden wissen: Als Bestätigung ihrer Entscheidung für eine Koalition mit der CDU. Die Ansage war so unmissverständlich, dass sofort klar wurde: Das konnte nicht die ganze Wahrheit sein.
 
Denn dass nun 54,3 Prozent derjenigen, die gültige Stimmen abgegeben haben, Ja zur schwarz-roten Koalition sagen, ist keineswegs der deutliche Erfolg, den sich Giffey und ihr Co-Landeschef Raed Saleh gewünscht hatten. Zwar rechnete Saleh noch vor, dass der Unterschied zwischen dem Ja- und dem Nein-Lager bei 1.000 Stimmen liegt, “das ist einmal komplett die Genossinnen und Genossen aus meinem Heimatbezirk Spandau”. Wer wollte, konnte aber auch anders rechnen: 1.000 Stimmen sind nicht einmal die Hälfte der SPD-Mitglieder in Mitte, Charlottenburg-Wilmersdorf oder Steglitz Zehlendorf.

SPD bleibt tief gespalten

Nach wochenlangen Diskussionen, teils hitzigen Debatten und einer breiten Kampagne gegen Giffeys Koalitionspläne, ist die Hauptstadt-SPD weiter tief gespalten. Fast 46 Prozent haben gegen Schwarz-Rot gestimmt. Wäre es eine Wahl zum Parteivorstand gewesen, müsste man wohl von einem Misstrauensvotum sprechen. Das knappe Ergebnis stellt die Parteispitze nun vor eine große Herausforderung: zu beweisen, dass die SPD sich von ihrer jüngsten Wahlschlappe erholen kann, indem sie der CDU ins Rote Rathaus verhilft.
 
Welche Erzählung man dafür bereithält, demonstrierte dann auch gleich Fraktionschef Raed Saleh. Es sei ein Triumph sozialdemokratischer Basisdemokratie gewesen, jubelte der Spandauer SPD-Politiker. Die interne Debatte sei kontrovers, aber fair abgelaufen. “Was meine SPD ausmacht, ist auch, dass sie in der Sache hart ringen kann.” Den Kritikern in den eigenen Reihen versicherte Saleh: Das Ganze sei “keine Liebesheirat”, aber “vernünftig”. Man habe schließlich der CDU sehr viele sozialdemokratische Ziele in den Koalitionsvertrag hineindiktiert. Wem das nicht reicht, dem bot Saleh noch das Machtkalkül als Argument an. Die CDU sei nämlich auch mit den Grünen “sehr, sehr weit” gewesen, deswegen habe man den Vorschlag für Schwarz-Rot “letztendlich auch für die Partei gemacht”.

In drei Jahren droht Schwarz-Grün

Die SPD blickt also längst auf die nächste Wahl und weiß: Ohne zählbare Erfolge droht ihr der Gang in die Opposition, wenn CDU und Grüne tatsächlich eine Koalition schmieden sollten. Die Bereitschaft dazu hatten beide Parteien in den Sondierungen bereits erkennen lassen. Die SPD setzt das unter Druck: Effektiv bleiben ihr zweieinhalb Jahre, um sich neben der CDU als progressive Kraft links der Mitte zu profilieren. Von den Ressorts, die voraussichtlich von der SPD übernommen werden, bietet aber wohl nur die Wirtschaft Möglichkeiten zu glänzen. Überall sonst warten vor allem große Herausforderungen.
 
Die Sozialverwaltung wird weiterhin mit der Unterbringung tausender Flüchtlinge zu kämpfen haben, ein schier endloses und undankbares Ringen um Unterbringungsmöglichkeiten und Wege der Integration. In der Gesundheitspolitik warten nach überstandener Pandemie wieder die dornigen Probleme der Gesundheitsversorgung, von überlasteten Krankenhäusern bis zu fehlenden Fachkräften in der Pflege. Am schwierigsten dürfte jedoch die Stadtentwicklung werden: Durch die Energie- und Preiskrise drohen Jahre der Stagnation im Baugewerbe. Experten fürchten längst, dass die Neubauzahlen einbrechen werden – denkbar schlechte Bedingungen für einen Senat, der neue Wohnungen liefern will. Allein die brummende Berliner Wirtschaft verspricht positive Schlagzeilen bis 2026 – wohl auch ein Grund, warum zuletzt Franziska Giffey als neue Wirtschaftssenatorin im Gespräch war.

Die Parteichefin hat (fast) ihre Lieblingskoalition

Giffey selbst denkt derweil offenbar schon sehr viel weiter als bis 2026. “Das ist eine politische Richtungsentscheidung, die weit über das hinausgeht, was die nächsten drei Jahre betrifft.” Vielmehr gehe es darum, wie sich die SPD “fürs nächste Jahrzehnt aufstellt”. Auf Nachfrage beeilte sich die scheidende Regierende Bürgermeisterin, klarzustellen, dass sie ihre Partei damit nicht langfristig an die CDU binden wolle. Man habe vielmehr Schaden von der Stadt abwenden wollen, weil ein Nein der SPD zu Wochen oder Monaten der Unklarheit geführt hätte. “Das hätte auch der SPD geschadet, und das hätte länger gewirkt als drei Jahre.”
 
In ihrer Partei dürfte Giffey mit dieser Aussage dennoch Spekulationen anheizen, dass sie nun endlich die Koalition bekommt, die sie immer wollte – wenn auch in der aus ihrer Sicht falschen Reihenfolge. Wie weit ihr die SPD auf diesem Weg folgt, werden die nächsten drei Jahre zeigen. In jedem Fall stehen Giffey, Saleh und die SPD-Spitzen in Berlin nun unter Druck: Sie müssen vor allem für ihre eigene Partei Erfolge liefern. Diesen Druck wird wohl auch die CDU zu spüren bekommen.

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