Die Sicherheitsbehörden rechnen mit einer antisemitischen Protestwelle in Deutschland. Auch Anschläge seien nicht auszuschließen. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung warnte vor anti-israelischen Tendenzen an Schulen.
Das Bundeskriminalamt (BKA) rechnet mit einer Protestwelle gegen jüdische Einrichtungen und Gebetshäuser. Dies gehe aus einem internen Lagebild hervor, berichten “Kölner Stadt-Anzeiger” und “Bild”-Zeitung übereinstimmend. Neben Demonstrationen seien auch Proteste vor US-Einrichtungen, insbesondere in Berlin, sowie vor US-Militärstützpunkten zu erwarten, heiße es dort. Der Schutz jüdischer Einrichtungen wurde daher erhöht, erklärte BKA-Präsident Holger Münch.
Das Bundesinnenministerium geht von einer “erhöhten Gefährdungslage” in Deutschland aus. Das sagte ein Sprecher des Ministeriums in Berlin. Der Sprecher wies ebenfalls auf den erhöhten Schutz durch die Landesbehörden für jüdische und israelische Einrichtungen. Am Nachmittag werde Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) mit den Innenministern der Länder dazu beraten.
Proteste nach Freitagsgebet erwartet
Das BKA geht auch davon aus, dass Rüstungskonzerne in Deutschland “in das Zielspektrum” pro-palästinensischer Kräfte fallen können, da Israel die Bundesregierung um Munitionslieferungen gebeten hat. Zudem rechnen die Staatsschützer laut den Berichten mit antisemitischen Aktionen aus der linksextremen Szene, etwa Sachbeschädigungen.
Für diesen Freitag hat die Hamas über einen Telegram-Kanal weltweit zu Protestmärschen aufgerufen. Es gebe zwar noch keine Aufrufe zu Anschlägen in Deutschland oder Europa, dies sei allerdings für die nähere Zukunft nicht auszuschließen. Die Staatsschützer schließen in ihrem Bericht auch spontane Radikalisierungen oder Entschlüsse zu extremistischen Taten nicht aus.
Klein warnt vor Antisemitismus an Schulen
Auch der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, befürchtet wachsende anti-israelische Tendenzen – besonders an Schulen. “Ich habe die große Sorge, je weiter auch die israelische Antwort auf diesen terroristischen Anschlag voranschreitet, dass sich die Stimmung in den Schulen deutlich gegen Israel wenden wird”, sagte Klein der Nachrichtenagentur dpa. “Bereits jetzt gibt es ja schockierende Nachrichten von Schulen, wo sich Schüler palästinensische Fahnen umlegen, also diesen Konflikt in die Schulen hereintragen wollen.” Das werde möglicherweise noch zunehmen.
Der Protest-Aufruf der Hamas für diesen Freitag zeige: “Die antisemitische Terrororganisation möchte ihren bestialischen Hass gegen Jüdinnen und Juden weltweit verbreiten”, sagte Klein dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Es gehe ihr nicht um die palästinensische Bevölkerung im Gazastreifen oder dem Westjordanland. “Ihr Ziel ist die Vernichtung Israels und jüdischen Lebens.”
Er warne Hamas-Sympathisanten in Deutschland in den deutlichsten Worten, sagte Klein: “Die deutschen Sicherheitsbehörden haben Sie fest im Blick.” Jüdische Einrichtungen würden umfassend geschützt, Verfassungsfeinde beobachtet.
Viele Hamas-Sympathisanten in Neukölln
Gerade in Gegenden mit hohem Anteil an Muslimen ist Judenhass offenbar weit verbreitet – so etwa in Berlin-Neukölln. Die Integrationsbeauftragte für den Bezirk, Güner Balci, beklagt, dass die Taten der militant-islamistischen Hamas von zu vielen Menschen dort gutgeheißen werden: “In den Gesprächen zeigt sich das sehr offen. Wenn man in bestimmten Milieus unterwegs ist, gibt es leider einen sehr großen Zuspruch auch für die Taten der Hamas. Das ist eine traurige Tatsache, der wir in unserer Arbeit leider regelmäßig begegnen”, sagte sie in den tagesthemen.
Ihre Erfahrung in Neukölln zeige, dass “Antisemitismus zu weit verbreitet ist. Das sehen Sie ja auch in der Berichterstattung, wenn die jungen Leute auf der Sonnenallee interviewt werden und keinen Hehl daraus machen, dass sie es gerechtfertigt finden, dass die Hamas die Menschen abgeschlachtet hat”. Sie bekomme dies auch in Gesprächen in den Milieus mit.
Antisemitismus unter Muslimen verbreiteter
Erst im April zeigte eine Studie für den Mediendienst Integration, dass israelbezogener Antisemitismus unter Menschen mit Migrationshintergrund und Muslimen deutlich weiter verbreitet ist als bei Deutschen ohne Migrationshintergrund. Auch eine Untersuchung der Konrad-Adenauer-Stiftung vom Juli dieses Jahres zeigte, dass Muslime – neben AfD-Anhängern und Menschen mit niedrigem formalen Bildungsabschluss – eine Gruppe sind, bei denen antisemitische Einstellungen weiter verbreitet sind als im Bevölkerungsdurchschnitt.
Besorgniserregend ist aus aktueller Sicht aber vor allem die Befürwortung von Gewalt gegen Juden: So akzeptieren sieben Prozent der Muslime in Deutschland antisemitische Gewalt (“Juden müssen sich nicht wundern, wenn sie einen drauf bekommen”). Das sind mehr als dreimal so viele wie im Bevölkerungsdurchschnitt, wo zwei Prozent dies befürworten. Und: 16 Prozent der Muslime vertraten die Ansicht, dass Israel als Staat nicht mehr existieren sollte – viermal so viele wie im Rest der Bevölkerung.