32 Jahre ist der tödliche Brandanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft in Saarlouis her. Heute wird das Urteil gegen den mutmaßlichen Brandstifter aus der damaligen Neonazi-Szene erwartet.
“Das Schlimmste, was mir je passiert ist.” “Ich kann kein Feuer sehen.” “Es war die Hölle auf Erden.” “Der Schmerz ist immer noch da.” So beschreiben Überlebende den Brandanschlag auf ihre Unterkunft 1991 und seine Folgen. Der Prozess, der nun knapp ein Jahr nach dem Start vor dem Oberlandesgericht Koblenz zu Ende geht, verschaffte ihnen und ihrem Leid erstmals Gehör.
Für Samuel Yeboah aus Ghana kam jede Hilfe zu spät, er starb an schwersten Verbrennungen. Angeklagt ist der 52-Jährige Peter S., Mitglied der damaligen Skinhead-Szene. Ihm wird Mord und zwanzigfacher versuchter Mord aus rassistischer Gesinnung zur Last gelegt.
Zeugin bringt entscheidende Wende
Trotz der Handschrift der Tat und einer angeblich sichtbaren Skinheadszene in Saarlouis wird von offizieller Seite ein rechtsradikaler Hintergrund jahrzehntelang zurückgewiesen – aus angeblichem Mangel an Beweisen.
Damit gehen gravierende Ermittlungsfehler einher, für die sich der saarländische Polizeipräsident inzwischen offiziell entschuldigt hat. Erst die Aussage einer Zeugin mit Kontakten in die rechtsextreme Szene bringt die Wende. Der Fall wird 2019 neu aufgerollt.
“Hier müsste auch mal so was brennen oder passieren”
Heute stellt sich die Tat so dar: 18. September 1991, Gaststätte Bayerischer Hof in Saarlouis. Bei einem Trinkgelage von drei Skinheads sind angeblich die Angriffe auf Ausländerunterkünfte in Hoyerswerda Thema. Der damalige Szeneboss soll das mit den Worten “Hier müsste auch mal so was brennen oder passieren” kommentiert haben. Die Anklage spricht von einer Pogromstimmung, die geherrscht habe.
Am 19. September um 3.30 Uhr wird im Treppenhaus der Asylbewerberunterkunft mit Benzin Feuer gelegt. Es breitet sich rasend schnell aus. Die Flammen schneiden Samuel Yeboah im Obergeschoss den Fluchtweg ab.
Der 27-Jährige stirbt wenige Stunden später an schwersten Verbrennungen. Zwei Bewohner können sich nur durch Sprünge aus dem Fenster retten. Die Nebenklage spricht später von einem Fanal, das die Szene für weitere Gewalt gegen Flüchtlinge setzen wollte.
Ermittlungen nach einem Jahr eingestellt
Die Polizei ermittelt, auch in der rechten Szene, stellt das Verfahren aber nach einem Jahr ein. Aktivisten aus dem linken Spektrum sind schon damals von einem rechtsradikalen Hintergrund überzeugt. “Die Nazis waren breit aufgestellt im Stadtbild sichtbar und agierten öffentlich. Von der Parteipolitik, der Justiz und der Polizei wurden sie verharmlost als Jugendliche, die vielleicht mal ein bisschen zu viel Alkohol getrunken haben und alle auch eine schlechte Kindheit hatten”, so Roland Röder von der Aktion 3. Welt Saar.
Röder und seine Mitstreiterinnen und -streiter halten über Jahrzehnte hinweg mit Demos und Plakataktionen die Erinnerung an den Fall wach.
Angebliches Geständnis auf Grillfest
Im Sommer 2007 soll der Saarlouiser Neonazi Peter S. auf einem Grillfest mit den Worten “Das war ich, und sie haben mich nie erwischt” der Zeugin Diana K. gestanden haben, dass er hinter dem Brandanschlag steckt.
Zwölf Jahre später, im Oktober 2019, geht Diana K. mit diesem Wissen zur Polizei – und bringt damit 30 Jahre nach der Tat die Ermittlungen wieder ins Rollen.
Anklage beantragt neuneinhalb Jahre Jugendstrafe
Im November 2022 beginnt in Koblenz der Prozess gegen Peter S. Im Mai 2023 räumt der 52-Jährige über seinen Anwalt ein, am Tatort dabei gewesen zu sein. Den Brand habe aber das ausgestiegene Szenemitglied Heiko S. gelegt. Dieser weist das zurück. Im Juni wird der frühere Szeneboss festgenommen. Ihm wird vorgeworfen, Peter S. im Tatvorhaben bestärkt zu haben. Er weist das ebenfalls zurück.
Die Verteidigung beantragt für Peter S. viereinhalb Jahre Haft wegen Beihilfe zum Mord und zwölffachen versuchten Morden. Gegen den damals 20-Jährigen sei Jugendstrafe zu verhängen. Die Anklage fordert neuneinhalb Jahre Jugendstrafe wegen Mordes an Samuel Yeboah und zwanzigfachen versuchten Mordes. Sie liegt damit knapp unter der Höchststrafe.