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Was Der Putsch in Niger Für Die Bundeswehr Heißt

Aus Sicht der Bundesregierung war Niger ein Vorzeigeland für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Nach dem Putsch ist davon keine Rede mehr. Das größte Problem aber stellt sich für den Mali-Abzug der Bundeswehr.

Der Kanzler, der Verteidigungsminister, die Entwicklungshilfeministerin: Wer immer von Niger sprach, nahm das Wort vom “Stabilitätsanker“ in den Mund. Man müsse sich in Afrika engagieren, hieß es, und: Burkina Faso, der Tschad oder der Sudan, und, jetzt am Ende auch Mali seien Staaten mit Putsch-Regierungen oder unsicheren politischen Verhältnissen. Niger aber, so versicherten alle, sei die Zukunft des deutschen und europäischen Engagements in der Sahel-Region.

Seit dem Militärputsch in Niger scheint es so, als sei diese Zukunft schon wieder Vergangenheit. Die hochfliegenden Pläne, nicht zuletzt der Bundesregierung, in einer Art Sahel-Strategie nicht nur die Islamisten in der Region zu bekämpfen, sondern auch Einfluss auf Länder zu bekommen, die wichtige Flüchtlingsrouten kontrollieren, sind erst einmal gescheitert.

Notfalls muss Frankreich helfen

Etwa 100 Soldatinnen und Soldaten setzt die Bundeswehr in Niger ein. Sie seien momentan sicher, heißt es heute aus dem Verteidigungsministerium. Man darf aber davon ausgehen, dass im Hintergrund die Pläne für den Krisenfall noch einmal genauer betrachtet werden. Sollte etwa tatsächlich medizinische Hilfe benötigt werden – wovon im Moment keiner ausgeht – müsste man Frankreich um Hilfe bitten. Die Region und der Einsatz der westlichen Kräfte dort ist alles andere als einfach.

Das größere Problem zeichnet sich aber für den deutschen Einsatz im Nachbarland Mali ab. Der soll laut UN-Beschluss nach zehn Jahren Ende 2023 beendet werden. Die Regierung in Mali sieht die Truppen der UN-Friedenssicherungsmission MINUSMA, darunter auch die deutschen Kräfte, als unerwünscht an, behindert ihre Arbeit und kooperiert mittlerweile seit Jahren mit russischen Kräften, darunter auch der Söldnertruppe Wagner unter der Führung von Jewgeni Prigoschin.

Mali-Abzug läuft über Niger

Das Problem am Putsch in Niger: Die Versorgung der etwa 900 deutschen Soldatinnen und Soldaten in Mali läuft zum großen Teil über den Flugplatz im nigrischen Niamey, dort ist der Dreh- und Angelpunkt der Mission. Und auch der Dreh- und Angelpunkt für den Abzug: Mensch und Material aus Mali sollten großteils über das Nachbarland ausgeflogen werden. Ein Landtransport durch das feindliche Umfeld in Mali bis zur Grenze und dann ein Weg durch ein Niger, das gerade einen Militärputsch hinter sich hat, danach der Abflug aus der Hauptstadt – das alles erscheint momentan vorstellbar.

Mit einem Putsch in Niger hat wohl niemand gerechnet

Der schnelle Abzug aus Mali stellt die Bundeswehr schon ohne den Putsch in Niamey vor große Probleme. Es könne teuer werden, hieß es in den vergangenen Wochen immer. Man werde Material zurücklassen oder sogar vernichten müssen. Dass es jetzt noch wesentlich teurer werden könnte, ist nur ein Teil des Problems. Die grundsätzliche Frage, wie man es ohne den nigrischen Flughafen Niamey schaffen könnte, die deutschen Soldatinnen und Soldaten wohlbehalten nach Hause zu bringen, will derzeit in Berlin im Detail niemand beantworten.

Denn: Über einen Putsch in Niger scheinen wenige nachgedacht zu haben, zumindest wenn man sich an die offiziellen Dokumente von Verteidigungs- und Entwicklungshilfeministerium hält.

Militärisch galt es als Vorzeigeland für erfolgreiche Kooperation: Über Jahre bildete die Bundeswehr in Tillia, in der nigrischen Wüste, Spezialsoldaten im Kampf gegen den “Islamischen Staat” aus. Anfangs hieß die Operation “Gazelle”, später wurde sie unter der EU-Mission EUTM weitergeführt. Von beiden Seiten gab es nichts als Lob für diese Ausbildungsmission. Die erfolgreiche Bekämpfung des IS wurde in Berlin gern mit beeindruckenden Zahlen untermauert.

Training nicht nur im Anti-Terrorkampf erfolgreich

Und: Deutschland ist gerade an führender Stelle dabei zu helfen, in Niger ein Ausbildungszentrum zu schaffen, um das “Engagement zu verstetigen”, wie es im Regierungsdeutsch heißt.

Jetzt aber sieht es so aus, als sei die Bundeswehr zu erfolgreich mit ihrer Ausbildung gewesen: Brigadegeneral Batoure, der Chef der nigrischen Spezialkräfte soll auf Fotos der Putschisten zu sehen sein. Das Grundproblem, dass westliches Training nicht nur im Anti-Terrorkampf erfolgreich eingesetzt werden kann, hatte die Bundeswehr übrigens schon im Nachbarland Mali, wo man auch einige Teilnehmer der verschiedenen Putsche der vergangenen Jahre militärisch ausgebildet hatte.

Fragen an die deutschen Auslandsdienste

Auch für die große Linie der deutschen Entwicklungshilfepolitik ist der Putsch in Niamey ein herber Rückschlag: Erst kürzlich hat Ministerin Svenja Schulze den Vorsitz der sogenannten Sahel-Allianz übernommen, man wolle den Versuch antreten, so sagte sie im Vorfeld, zu beweisen, dass man die Region auch ohne westliche Militärpräsenz etwa in Mali stabilisiert bekomme.

Die Ministerin besuchte Niger noch im April zusammen mit Verteidigungsminister Boris Pistorius. Unnötig zu erwähnen, dass sie bei der Gelegenheit Niger als Land mit stabiler Regierung und positivem Arbeitsumfeld für deutsche Organisationen pries. Auch dieses deutsche Engagement scheint heute fraglicher als noch vor ein paar Wochen.

Und: Auch der Fall Niger wird wieder die Frage aufwerfen, wie gut die deutschen Auslandsdienste eigentlich informiert sind oder wie gut sie die Regierung in Berlin informieren. Der Eindruck, den man heute gewinnen konnte, war zumindest: Kaum jemand in der deutschen Hauptstadt hatte ernsthaft mit einem Putsch in Niamey gerechnet.

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