Er ist ein prächtiges Gebäude, der Saalbau in Neustadt an der Weinstraße: errichtet im Stil der Neorenaissance, einer Basilika nachempfunden. Mitte des vergangenen Jahrhunderts wurde hier die erste Deutsche Weinkönigin gekrönt. Heute wird eine ganz andere Veranstaltung die Hallen des Saalbaus füllen: Der “Kongress für Frieden und Sicherheit in Europa”. Bestuhlt ist für 950 Gäste. Die Tickets – ausverkauft.
Max Otte hat zu diesem Kongress geladen. Otte ist bekannt als streitbarer Ökonom, Autor, Mitglied der CDU-“Werteunion”, vor allem aber hat er oft Sympathien für die AfD erkennen lassen. Auf seiner Rednerliste steht unter anderem der Schweizer Verschwörungstheoretiker Daniele Ganser.
Otte hat den prunkvollen Saalbau wohl nicht wegen dessen eindrucksvollen Rundbögen aus Sandstein als Tagungsort gewählt. Etwa drei Kilometer Luftlinie sind es von hier zum Hambacher Schloss. Und das ist der Schauplatz, um den es eigentlich geht. Den Auftakt zu Ottes Wochenende mit Gleichgesinnten bildete am Freitag die sogenannte “Patriotenwanderung”. Deutschlandfahnen schwenkend zogen Otte und rund 450 selbsternannte Patrioten ein Stück hinauf zum Hambacher Schloss. An Ottes Seite war auch der rheinland-pfälzische AfD-Vorsitzende Uwe Junge. Die Kulisse ist großartig, die Analogie zum historischen Vorbild, dem Hambacher Fest von 1832, voll beabsichtigt.
Damals setzten sich Tausende ein für politische Freiheit und gegen Unterdrückung. Heute, sagt Otte, versuche man in Deutschland, das Patriotische wegzudefinieren: “Diese Farben Schwarz Rot Gold, die für die beste Zeit unserer Demokratie stehen – ich habe das Ziel, dass diese Farben wahrgenommen werden und ein demokratischer Patriotismus auch wahrgenommen wird.”
Schon im vergangenen Jahr hatte Otte mit seinem “Neuen Hambacher Fest” rund 1200 Rechtskonservative auf dem Hambacher Schlossberg versammelt. “Demokratie lebt von Bildern, und Öffentlichkeit lebt auch von Emotionen”, bewertet der Mainzer Historiker Andreas Rödder diese Strategien. “Wir erleben, wie die nationalkonservative Rechte in Deutschland, insbesondere die AfD, systematisch versucht, republikanische und demokratische Traditionen der deutschen Republikgeschichte für sich in Anspruch zu nehmen.” Das Hambacher Fest sei ein Element davon: “Das Ziel ist es, demokratische Legitimation und Respektabilität zu gewinnen, das Mittel ist es, öffentlich sichtbare Bilder zu schaffen.” Doch Otte und seine Mitstreiter wollen mehr, als sich mit den großen Symbolen der demokratischen Tradition zu inszenieren. Seit Ende vergangenen Jahres kämpfen sie juristisch um Aufnahme in die “Hambach-Gesellschaft”, einem Verein, der an die Werte und Ziele des Hambacher Festes von 1832 erinnert.
Rund 25 Beitrittserklärungen seien innerhalb kürzester Zeit eingegangen, berichtet der Vorsitzende der Gesellschaft, Wilhelm Kreutz. Man habe recherchiert und festgestellt, dass darunter eine ganze Anzahl von AfD-Anhängern sei. “Max Otte will sich damit ein demokratisches Mäntelchen umhängen”, klagt Kreutz. “Wir haben die Befürchtung, dass Otte auf dem Weg ist, die Hambach-Gesellschaft zu unterwandern und sie letztendlich zu übernehmen.” Vor welchem Gericht der Rechtsstreit ausgefochten wird, steht noch nicht endgültig fest. Für Kreutz aber ist klar: “Das ist eine politische Richtung, die wir nicht wollen.” Historiker Rödder erinnert auch an den – noch nicht endgültig beendeten – Streit der AfD um den Namen Gustav Stresemanns für ihre parteinahe Stiftung. Die AfD, so Rödder, wollte damit an das politische Erbe des einstigen Reichskanzlers und Friedensnobelpreisträgers anknüpfen. “Doch Stresemann steht dafür, dass er sich in den 1920er-Jahren, als die ganze Landschaft sich radikalisiert hat, genau umgekehrt zur politischen Mitte hinbewegt hat. Das passt nicht in die politischen Vorstellungen der AfD”, mahnt Rödder, selbst einer der beiden Präsidenten der Stresemann-Gesellschaft, die mit der Stiftung nichts zu tun hat.
Der Potsdamer Politikwissenschaftler Gideon Botsch sagt über die AfD: “Der Grundgedanke der AfD ist: ‘Wir sind Fundamentalopposition. Wir wollen die Verfassungsordnung grundlegend ändern.’ Mit der Nutzung solcher Symbole können sie suggerieren, sie stünden in einer demokratischen Tradition. Das ist positiv besetzt in der Bevölkerung.” Ein Konsens über Deutschlands demokratische Traditionen und seine Rolle in Europa fehlt. Der Historiker Rödder betont, man müsse die Auseinandersetzung aus der demokratischen Mitte heraus offensiv führen.
“Der demokratische Diskurs ist wichtig, auch mit der AfD”, sagt Otte. Er und seine Kongressteilnehmer jedenfalls wollen bis zum Abend im Neustadter Saalbau tagen.