Die Frankfurter Unternehmensberatung Gauly Advisors fasst sich kurz. „Zu Ihrer Information“, schreibt die Agentur in einer E-Mail: „hier finden Sie den offiziellen Twitter-Account von Friedrich Merz.“ Der Kandidat hat einen Gang hochgeschaltet. Wählt ihn der Parteitag am 7. Dezember in Hamburg zum Vorsitzenden, will er die CDU bei der Kommunikation „zur modernsten Partei in Deutschland“ machen, sagt er – hinein also in die sozialen Netzwerke.
Gauly Advisors hält sich beim ersten Eintrag auf Twitter an das, was man zunächst mit Merz in Verbindung bringt: einen Bierdeckel, in Anlehnung an das Steuerkonzept. Man liest eine Nachricht in gekrakelter Schrift: „CDU – Aufbruch und Erneuerung“.
In Hamburg stellt Merzens heimische NRW-CDU rund ein Drittel der 1.001 Delegierten, genau 296. Der Landesvorstand sieht von Wahlempfehlungen ab, zumal neben dem Sauerländer Merz ein zweiter Kandidat aus dem mit 125.000 Mitgliedern größten CDU-Landesverband hervorgeht: Gesundheitsminister Jens Spahn aus dem Kreis Steinfurt im Münsterland.
In größeren Saal verlegt
Die NRW-CDU reservierte für die vorvorletzte der acht Regionalkonferenzen einen Saal in einem Düsseldorfer Flughafenhotel, schon bald war man überbucht. Die Partei verlegte die Versammlung in die größere Halle 9 auf dem Messegelände, sie rechnet nun mit mindestens 3.000 Gästen.
Der Generalsekretär der NRW-CDU, Josef Hovenjürgen, wird den Schlagabtausch in Düsseldorf am Mittwoch (28. November) einläuten. Im Gespräch sagt der Delegierte, er persönlich habe seine Wahl noch nicht getroffen, er schwanke noch zwischen zwei Kandidaten.
Der Chef der NRW-CDU, Armin Laschet, hat Merz in den vergangenen Jahren oft zu Tagungen eingeladen. So habe er die wirtschafts- und finanzpolitische Flanke geschlossen, sagt Hovenjürgen, und sich „Expertise herangeholt“. Einigen gilt der Landesvorsitzende Laschet heute als „heimlicher Königsmacher“, der die Kanzlerschaft noch längst nicht abgeschrieben hat.
„Männerdominierter Streit“
Laschet jedenfalls reagierte so klug, sich herauszuhalten aus dem Kandidatenkreis. Er hat es gerade erst in die Staatskanzlei geschafft, seine schwarz-gelbe Landesregierung steht in NRW eineinhalb Jahre in Verantwortung.
Kurz nach seiner Vereidigung hat Laschet den Lobbyisten Merz zum Brexit-Beauftragten gemacht. Politisch näher steht Laschet der Kandidatin Annegret Kramp-Karrenbauer. Er rechnet es „AKK“ hoch an, dass sie ihr Staatsamt als saarländische Ministerpräsidentin abgegeben und sich als Generalsekretärin in den Dienst der Partei gestellt hat. Die Frauen-Union spricht sich offen für die Bewerberin Kramp-Karrenbauer aus, die NRW-Landesvorsitzende Ina Scharrenbach schließt sich der Wahlempfehlung an. Sie sagt: „Wir haben über den Sommer erlebt, wie lange sich so ein männerdominierter Streit in der Union halten kann.“
Manche glauben, Merz habe Laschet mit seiner Kandidatur einen Gefallen getan, weil es dem CDU-Landesvorsitzenden jetzt erspart bleibt, sich hinter den allzu ehrgeizigen wie risikofreudigen Spahn zu stellen. In Umfragen ist der Gesundheitsminister abgeschlagen. Mit seinem Vorstoß zur Migrationspolitik hat er sich nach den Einschätzungen nicht weniger CDU-Delegierter vorerst „selbst erledigt“.
Man geht es nüchtern an
Gleichzeitig stößt man sich am Stil des Polit-Rückkehrers Merz. Er habe es „nicht gerne, dass Merz seinen Wahlkampf von einer Unternehmensberatung machen lässt“, sagt CDU-Urgestein Norbert Blüm. Überhaupt streben sie in der Union nicht gerade Neuwahlen an, die 1.001 Delegierten, die Abgeordneten und Oberbürgermeister. Siewerden die Merkel-Nachfolge in Hamburg regeln – nicht die Mitglieder an der Parteibasis, die selig in Bierdeckel-Nostalgie schwelgen.
In der CDU schien man lange ganz besoffen ob all der neuen Wahlfreiheit. Die Funktionsträger in NRW gehen es nüchtern an. „Der Prozess wird der CDU guttun“, glaubt der Chef des CDU-Bezirks Ruhr, Oliver Wittke. Er zeigt seine Präferenz für das CDA-Mitglied Kramp-Karrenbauer. Sie bringe die nötige Integrationskraft mit, nach innen und nach außen, sagt er. „Sie ist eine Mannschaftsspielerin.“